Samstag, 10. April 2010

aus dem Hamburger Abendblatt

Übernachtungsbranche in Sorge

Gäste erpressen Hotels: Rabatt oder schlechte Noten


Von Jan Dube 28. Februar 2009, 00:00 Uh

Kunden drohen mit negativen Beurteilungen im Internet - und schüchtern so Hoteliers ein. Die Macht dieser Portale wächst.

München. Das Doppelzimmer sollte 149 Euro kosten. "Wir zahlen maximal 100 - sonst gibt es eine miese Kritik im Internet", drohten zwei Touristen ganz unverblümt an der Rezeption des A&O-Hotels in München. Oliver Winter, Chef der Hotelkette aus Berlin, ist über dieses Vorgehen empört. Er fürchtet weitere Fälle. "Auch andere Hoteliers haben mir von Erpressungsversuchen berichtet", sagt Winter. "Für uns ist das eine Riesengefahr." Die zunehmende Macht der Bewertungsportale sieht er deshalb mit Skepsis.

Pünktchen, Sonnen oder Kommentare - die Noten auf Portalen wie HolidayCheck.de, tripadvisor. de oder hotel.de sind für viele Urlauber zu einem wichtigen Gradmesser geworden. "Auch Hotelmanager können diese Bewertungen kaum mehr ignorieren", sagt Andreas Weishaupt. Er ist professioneller Hoteltester und hat ein Reisebüro in Gundelsheim bei Heilbronn. Manche Manager sporne die Kritik zu Verbesserungen an, andere sähen ihre Herberge zu Unrecht verunglimpft, beobachtet er. Oliver Winter stört bei den Online-Kritiken vor allem eines: "Nur ein verschwindend kleiner Teil der Gäste gibt seine Meinung ab." Sein Hotel in Berlin-Mitte habe pro Jahr rund 170 000 Gäste, aber beim größten Portal gebe es nur 14 Bewertungen. "Das sagt nichts aus." Die Portale sollten daher seiner Ansicht nach die Zahl der Übernachtungen bei jedem Haus dazustellen. "Dann kann der Nutzer das ins Verhältnis setzen." Bewertungen im Internet boomen.


Vor- und Nachteile dieses Instruments: Die Bewertungen bieten zwar eine hilfreiche Orientierung. Auf der anderen Seite sind die Kommentare nicht repräsentativ; Missbrauch durch Eigenlob oder übertriebene Verrisse lässt sich kaum ausschließen. Bettentester Weishaupt sieht Hotelkritiken als ein gutes Mittel, sich vor einer Reise zu informieren. Doch auch er betont: "Die Portale sind keine gemeinnützigen Verbraucher-Organisationen."

Viele der Betreiber verdienten ihr Geld als Reisevermittler und erhielten Provisionen von Veranstaltern. Daher sei die Unabhängigkeit nicht garantiert. Die Kritiken selbst sind Weishaupt oft zu oberflächlich: "Die Bewerter sind Amateure. Wer zum Beispiel daheim nur beim Drive-in einkehrt, kann das Toprestaurant im Urlaubshotel kaum objektiv beurteilen." Seiner Einschätzung nach sind es zudem oft die eher Unzufriedenen, die nach dem Urlaub eine Meinung abgeben. Bei HolidayCheck, nach eigenen Angaben Bewertungs-Marktführer im deutschsprachigen Internet, sieht man das anders. "Grundfalsche Beurteilungen und Erpressungsversuche wie der in München sind extrem selten", sagt Axel Jockwer. Der Sprecher des Schweizer Unternehmens verweist darauf, dass alle Bewertungen genau geprüft würden. "Nur wer in einem Hotel war, darf es bei uns bewerten."